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Eine Zukunftskommission „Landwirtschaft“?

RENN.west Schutz natürlicher Ressourcen, Landwirtschaft, Flächennutzung, Bodenschutz

Das Thema Landwirtschaft polarisiert. Dies zeigen nicht zuletzt die Bauernproteste in der vergangenen Woche: Kann eine Zukunftskommission „Landwirtschaft“ eine sozial-ökologische Transformation in diesem Politikfeld voranbringen und eine neue Dynamik erzeugen, um die „Off-track“ Goals der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie mit Bezug zum Thema Landwirtschaft zu erreichen? Welche Lehren ziehen wir aus der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ für diesen Prozess? Dies waren einige zentrale Fragen eines Forums der Regionalen Netzstelle Nachhaltigkeitsstrategien West auf den RENN.tagen 2019, die gestern zu Ende gegangen sind.

Die Situation ist ernst: Bauern fürchten um ihre Existenz und protestieren gegen eine Verschärfung von Umweltauflagen. Ihr Protest richtet sich u.a. gegen die Düngeverordnung und das von der Bundesregierung 2019 beschlossene „Agrarpaket“. Gleichzeitig wurde die Bundesrepublik im Juni 2018 vom Europäischen Gerichtshof für einen wiederholten Verstoß gegen die EU-Nitratrichtlinie verurteilt und in diesem Sommer erneut ermahnt, das Urteil umzusetzen. Ferner wurden die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen von der Deutschen Umwelthilfe kürzlich verklagt. Des Weiteren werden viele Nachhaltigkeitsziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie mit Bezug zur Landwirtschaft (u.a. Stickstoffüberschuss, Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, Nitrat- und Phosphorbelastungen von Grundwasser bzw. Fließgewässer, Klimaschutz, Artenvielfalt und Landschaftsqualität sowie der Eutrophierung der Ökosysteme) verfehlt. So wird sehr deutlich, dass die aktuelle landwirtschaftliche Praxis in Deutschland nicht im Rahmen der planetaren Grenzen wirtschaftet und gleichzeitig wichtige Fragen der sozialen Gerechtigkeit nicht genügend thematisiert und berücksichtigt werden.

Auch wenn der Kohleausstieg und die Transformation der Landwirtschaft zwei sehr unterschiedliche Zielsetzungen darstellen, scheint es dennoch sehr lohnend, sich über eine „Zukunftskommission Landwirtschaft“ Gedanken zu machen. Am 2. Dezember 2019 wurde bekannt, dass die Einrichtung einer solchen Kommission auch eines der Ergebnisse des Agrargipfels im Bundeskanzleramt war. Gerne möchten wir daher die zentralen Ergebnisse unserer Diskussion als Anregungen für die Einrichtung einer Zukunftskommission „Landwirtschaft“ öffentlich zugänglich machen:

  • Deliberation statt Verhandlung:

Die „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ wurde beauftragt, konkrete Vorschläge für den Strukturwandel im Energiesektor zu erarbeiten und gleichzeitig Fragen der Versorgungsicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaverträglichkeit vorzulegen. Ebenso war es Aufgabe der Kommission, ein Kohleausstiegsdatum zu verhandeln und Ideen zum Strukturwandel der Kohleregionen im Rheinischen Revier und in der Lausitz vorzuschlagen. Die Verhandlungen waren nicht öffentlich.

Die Kommission hat den Erwartungen entsprochen und die Verhandlungen mit einem Kompromiss abgeschlossen, der nun in Form eines Berichtes vorliegt. Dies wurde als großer Durchbruch gewertet. Hierdurch wurde jedoch die Chance verpasst, die Kommissionarbeit als Dialog- und Deliberationsprozess zwischen den Stakeholdern zu gestalten, in dem unterschiedliche politische Handlungsmöglichkeiten von diversen Perspektiven beleuchtet und bewertet werden.

Für eine Zukunftskommission Landwirtschaft empfehlen wir demnach, die beteiligten Akteure nicht mit der Aushandlung eines Kompromisses zu beauftragen. Stattdessen sollte die Kommission auf Grundlage von klaren Zielsetzungen der Politik, wie sie z.B. in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie definiert sind, verschiedene Handlungsoptionen untersuchen und Szenarien für die besten Pfade zu einer sozial-ökologischen Transformation ausarbeiten. Diese können dann eine politische Entscheidung informieren. Die letztendliche politische Entscheidung sollte jedoch bei der Politik liegen.

  • Beteiligung:

Die sogenannte Kohlekommission bestand aus insgesamt 28 stimmberechtigen Mitgliedern. Vertreten waren wissenschaftliche Institutionen, Naturschutzverbände, Gewerkschaften, Wirtschafts- und Industrieverbände sowie Vertreter*innen der betroffenen Regionen. Nicht repräsentiert waren unter anderen Fürsprecher der zukünftigen Generation als auch Vertreter*innen des globalen Südens, um die globale Dimension der Gerechtigkeitsfrage im Rahmen der Kommissionsarbeit zu thematisieren.

Für die Einrichtung einer Zukunftskommission möchten wir daher anregen, eine breite Repräsentation von Akteuren aus den Bereichen Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Lebensmittelhandel, Umweltverbände, Wissenschaft, Agrochemie, Veterinärmedizin und anderen Akteuren zu ermöglichen. Insbesondere scheint es geboten, auch verschiedene landwirtschaftliche Verbände aus der ökologischen sowie der sogenannten konventionellen Landwirtschaft in die Kommission einzubinden, um die unterschiedlichen Interessen der landwirtschaftlichen Akteure abzubilden. Eine alleinige Repräsentation der Landwirtschaft über den Bauernverband und die neue Bewegung „Land schafft Verbindung“ wird aus unserer Sicht der Vielfalt der Landwirtschaft nicht gerecht. Darüber hinaus möchten wir - wie oben bereits angeregt – Fürsprecher der zukünftigen Generation als auch Vertreter*innen des globalen Südens als Kommissionsmitglieder vorschlagen.


In diesem Artikel beziehen wir uns auf die Diskussionen innerhalb unseres Forums „Soziale Gerechtigkeit innerhalb der planetaren Grenzen. Konkrete Handlungsansätze zur gerechten Gestaltung einer Nachhaltigen Entwicklung.“ im Rahmen der RENN.tage am 3./4. Dezember 2019 in Berlin. Die Inhalte spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung aller Teilnehmenden wider. Für inhaltliche Aussagen trägt die Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e.V. die Verantwortung.

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