Kolumne 1: Nachhaltigkeitsinitiativen örtlich und regional vernetzen
Die in den letzten Jahren vor Ort zahlreich entstandenen und weiter entstehenden zivilgesellschaftlichen Nachhaltigkeitsinitiativen vernetzen sich zunehmend, um gemeinsam zu agieren, besser voneinander zu lernen, Doppel- Strukturen und Parallel-Aktivitäten zu vermeiden und besonders durch gemeinsame Internetplattformen ihre Außenwirkung zu erhöhen.
RENN.süd hat dafür erste Schritte für lokale bzw. regionale Vernetzungsprozesse zivilgesellschaftlicher Nachhaltigkeitsinitiativen in einer kurzen Handreichung zusammengefasst. Dort finden sich zu den folgenden ersten Schritten auch Hinweise für weitere Hilfestellungen.
Am Anfang sollte eine erste Bestandsaufnahme stehen, welche Initiativen es vor Ort schon gibt, die man ansprechen kann. Teilweise gibt es bereits Vernetzungsstrukturen, die genutzt und gemeinsam ausgebaut werden können, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Für das weitere Vorgehen kann man drei verschiedene Stufen oder Typen von Netzwerken beachten, die es bei allen örtlichen Unterschieden nach den bisherigen Erfahrungen gibt und die auch unterschiedlich große Anforderungen stellen:
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Eine digitale Plattform als gemeinsames Angebot dient vor allem zur besseren Information der Öffentlichkeit.
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Ein digitales und/oder persönliches Kommunikationsnetzwerk fördert den Erfahrungsaustausch.
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Ein gemeinsames Akteursnetzwerk beinhaltet neben diesen beiden Elementen vor allem gemeinsame Aktivitäten.
Diese „Netzwerk-Typen“ können auch nach und nach stufenweise realisiert werden. Was möglich ist, hängt von den zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten ab. Da diese meist ehrenamtlich sind, sollte man sich nicht überfordern und am besten in kleinen, von den Beteiligten gut leistbaren Schritten vorgehen. Um die Netzwerkarbeit voranzutreiben braucht es mehrere Aktive, die als „Initiativteam“ oder „Kerngruppe“ die dafür notwendige Arbeit leisten. Also: Zunächst Mitstreiter*innen suchen, finden und gemeinsam planen! Dabei sind digitale Tools von Anfang an unverzichtbar, wozu es gute Hilfestellungen gibt. Wichtig ist auch, baldmöglichst den Kontakt zur Kommunalverwaltung herzustellen und sich am besten persönliche Ansprechpartner*innen zu suchen. Viele Kommunen unterstützen Initiativen mit Anlaufstellen, Beratung, Räumlichkeiten oder Projektförderungen. Auch für erste Netzwerktreffen oder Veranstaltungen enthält das RENN.süd-Papier Tipps und weiterführende Hilfestellungen.
In der Praxis zeigen Beispiele, wie solche Netzwerke in Städten verschiedener Größe und regional in Ballungsräumen oder mehr ländlichen Gebieten angepasst an die örtlichen Gegebenheiten arbeiten:
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Die Lokale Agenda 21 Ulm wird als kommunales Nachhaltigkeitsnetzwerk von Arbeitskreisen und Initiativen vom städtischen Agenda-Büro als „Netzwerkknoten“ seit 25 Jahren getragen
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„FairNetzt Lörrach“ bildet seit 2015 als zivilgesellschaftliche Wandelbewegung eine Plattform für gesellschaftspolitisch aktive Menschen und Initiativen für ein zukunftsfähiges und lebenswertes Lörrach
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„Wirundjetzt“ ist seit 2010 als gemeinnütziger Verein für Nachhaltigkeit in der Region Bodensee-Allgäu-Oberschwaben aktiv und vernetzt mit seinen etwa 90 Mitgliedern Interessierte, Organisationen oder Initiativen
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„Bluepingu“ setzt sich als Verein für eine zukunftsfähige Metropolregion Nürnberg ein und unterstützt Aktive oder Projekte bei der dazu nötigen sozial-ökologischen Transformation
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Das „forum1.5“ ist eine Plattform für diejenigen in der Region Oberfranken, die den Wandel zur Nachhaltigkeit vor Ort gestalten und wird von der Uni Bayreuth unterstützt
Der „Werkzeugkasten des Wandels“ von RENN.süd enthält solche und weitere Beispiele nachhaltiger Netzwerkstrukturen.
RENN.süd hat zur weiteren Unterstützung und Vernetzung solcher Nachhaltigkeitsinitiativen viele Angebote und aktuelle Aktivitäten, die man am besten über den kostenlosen digitalen Newsletter erfährt.
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Zum Autor:
Gerd Oelsner ist Politikwissenschaftler. Er leitete das Agenda- und Nachhaltigkeitsbüro des Landes Baden-Württemberg seit der Gründung 1998 bis zum Jahr 2020. Zudem ist er seit vielen Jahren ehrenamtlich aktiv. 2022 erschien beim oekom-Verlag sein Buch „Nachhaltigkeitstreiber – Lokale Agenda 21, Kommunen und Zivilgesellschaft als Pioniere des Wandels“. Er gestaltete außerdem die Arbeit von RENN.süd maßgeblich mit und bleibt dem Projekt als freier Mitarbeiter und sog. “RENN.tner” erhalten.
Kolumne 2: Wie Kommunen Nachhaltigkeitsinitiativen unterstützen
Für die vielen in den letzten Jahren entstandenen zivilgesellschaftliche Nachhaltigkeitsinitiativen bildet die Kommune den wichtigsten Wirkungs- und Aktionsraum. Wie sie dabei von der Verwaltung unterstützt und mit dieser zusammenarbeiten können, zeigen die folgenden Beispiele, die hier nur kurz überblicksartig angetippt und in späteren Kolumnen genauer erläutert werden.
Kommunen können durch Bereitstellung von Räumlichkeiten einen wesentlichen Engpass der Initiativen beheben. In Bodnegg am Bodensee kann die dortige Reparatur-Initiative die örtliche Schule nutzen und im Gemeindeblatt werben (https://bodnegg.de/files/20_bodnegg_1.pdf ). Im oberfränkischen Coburg wurde der Transition-Initiative https://transition-coburg.de/transition-laden-im-steinweg/ ) ein leerstehendes Ladenlokal zur Verfügung gestellt, was auch die Attraktivität der Fußgängerzone erhöht. Es dient über den dortigen „Umsonstladen“ hinaus auch als Veranstaltungsort.
Besonders auch in kleinen Kommunen sind diese Leerstände häufig und anhaltend, aber so kaum zu beheben. Eine einfache Möglichkeit ist, die Schaufester als Werberäume für Initiativen und Nachhaltigkeitsaktivitäten der Gemeinde zu nutzen. Hierzu wurde das Projekt „Hier zur Zwischenmiete“ (https://finep.org/finep-macht-projekte/neue-zielgruppen-und-lernorte/zwischenmiete/ ) erfolgreich in Baden-Württemberg durchgeführt und gibt einige Anregungen. Initiativen und Kommunen sollten dies in Abstimmung mit den Ladenbesitzern nutzen, denn davon profitieren alle: Die Innenstädte werden attraktiver, die Bevölkerung wird für Nachhaltigkeit sensibilisiert und Initiativen erhalten einen Raum für ihre Öffentlichkeitsarbeit.
Der Treffpunkt Freiburg (https://treffpunkt-freiburg.de/ )unterstützt ehrenamtlich Engagierte durch Räume, Fortbildung, Öffentlichkeitsarbeit, einen Projekte-Fonds, Vernetzung der Initiativen und weitere Angebote. Inzwischen ist dort noch ein „Haus des Engagements“ (https://haus-des-engagements.de/) entstanden.
Kommunen fördern finanziell Projekte und Initiativen. In den letzten Jahren werden dazu zunehmend wie in Schorndorf am Ammersee (https://buergerbudget.schondorf-ammersee.de/ ) „Bürgerbudgets“ als feste Haushaltsposten eingerichtet, über deren Verwendung die Bürger:innen selbst entscheiden. In Schorndorf wurde beispielweise eine Lastenrad-Initiative unterstützt.
Gemeinden wie Weissach im Tal (https://www.energie-wt.de/genossenschaft.html) stellen Dächer für Gemeinschaftssolaranlagen zur Verfügung und unterstützen diese auch politisch. In Baden-Württemberg sind die Bürgermeister:innen Mitglied in jeder dritten Bürgerenergiegenossenschaft.
In Günzburg (https://www.guenzburg.de/umwelt-mobilitaet/essbare-stadt/setzen ) setzen Verwaltung und Bürger:Innen gemeinsam Urban Gardening im Projekt „Essbare Stadt“ um. Über die städtischen Flächen hinaus wird die Initiative von einer Fachkraft in der Verwaltung unterstützt.
Die Stadt Karlsruhe (https://www.karlsruhe.de/mobilitaet-stadtbild/mobilitaet/motorisierter-verkehr) stellt Parkplätze für das Carsharing zur Verfügung, was dessen Attraktivität deutlich erhöht hat, wie auch die bundesweite Auszeichnung als „Carsharing-Hauptstadt“ zeigt.
Eigene Anlaufstellen in der Verwaltung wie das Agenda-Büro in Ulm (https://www.ulm.de/leben-in-ulm/umwelt-energie-entsorgung/lokale-agenda-ulm-2)1 unterstützen Aktivitäten als Kontaktstelle für alle, die sich für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz vor Ort einsetzen. Ulm ist auch ein gutes Beispiel, wie dadurch die Initiativen vernetzt werden und gemeinsam noch effektiver arbeiten können, was hier in einer früheren Kolumne (https://www.renn-netzwerk.de/sued/newsletter/kolumne) behandelt wurde.
Solche Anlaufstellen und weiteren Unterstützungen gewinnen noch mehr an Bedeutung und Gewicht, wenn sie wie in der Lokalen Agenda 21 Augsburg (https://www.nachhaltigkeit.augsburg.de/lokale-agenda-21) in den strategischen Rahmen einer umfassender kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie oder Stadtentwicklung zur Zukunftsgestaltung eingebettet sind.
Weitere Beispiele finden sich im RENN.süd-Ideenportal „Werkzeugkasten des Wandels“ in der Rubrik „Werkzeuge des Wandels“ (https://www.werkzeugkasten-wandel.de/werkzeuge-des-wandels.html). „Kommune als Aktionsraum zivilgesellschaftlicher Nachhaltigkeitsinitiativen“ war auch Thema einer RENN.süd-Veranstaltung, deren Dokumentation online verfügbar ist (https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/sued/Doku_vergangener_Veranstaltungen/RENN.sued_Veranstaltungsdokumentation_Kommune_als_Aktionsraum_09.07.2019.pdf).
Fragen zum Thema und den Beispielen sind gerne willkommen: sued@renn-netzwerk.de.
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Zum Autor:
Gerd Oelsner ist Politikwissenschaftler. Er leitete das Agenda- und Nachhaltigkeitsbüro des Landes Baden-Württemberg seit der Gründung 1998 bis zum Jahr 2020. Zudem ist er seit vielen Jahren ehrenamtlich aktiv. 2022 erschien beim oekom-Verlag sein Buch „Nachhaltigkeitstreiber – Lokale Agenda 21, Kommunen und Zivilgesellschaft als Pioniere des Wandels“. Er gestaltete außerdem die Arbeit von RENN.süd maßgeblich mit und bleibt dem Projekt als freier Mitarbeiter und sog. “RENN.tner” erhalten.