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„Bioenergiedorf zum Anfassen“ – Rückblick auf die Exkursion nach Bollewick 

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Welche Hemmnisse sind zu überwinden, wenn eine Gemeinde sich aufmacht, aus den vor Ort erzeugten Waren und Energieströmen möglichst viel Wertschöpfung im Dorf zu lassen? Und welche Chancen für Gegenwart und Zukunft erwachsen daraus?   

RENN.nord und die ANE hatten eingeladen, um sich diesen Fragen im Rahmen einer zweitägigen Exkursion in das Bioenergiedorf Bollewick in Mecklenburg-Vorpommern zu nähern. 31 Personen aus Norddeutschland sind dem Ruf gefolgt: Gemeinderätinnen und -räte, Bürgermeister:innen, Verwaltungsmitarbeiter:innen und Freiwillige im Ehrenamt. In einer Mischung aus Fachinputs, Dorfführungen und Gesprächsrunden konnten die Teilnehmenden nicht nur viel über die Erfahrungen vor Ort, sondern auch von den Erfahrungen der anderen Gruppenmitglieder lernen.   

Die Wertschöpfung im Dorf lassen – dabei geht es nicht zuletzt um Flächenbedarf und die Verteilung von Fläche innerhalb Deutschlands und weltweit. Zum Einstieg gab Prof. Dr. Peter Adolphi daher einen Einblick in die Weltacker-Theorie und regte mithilfe eines Rechenbeispiels Überlegungen dazu an, wie die Bereitstellung der benötigten Pro-Kopf-Fläche global und national verteilt ist bzw. sein sollte. Dabei wurde über die landwirtschaftliche Produktion von Lebensmitteln hinaus, die Nutzung von Flächen für Energieerzeugung thematisiert ­–  Energie, die zu großen Teilen aus dem ländlichen Raum Norddeutschlands in die Städte und nach Süddeutschland abfließt.   

Anschließend betonte Bertold Meyer, ehemaliger Bürgermeister von Bollewick, wie aus Krisensituationen und Herausforderungen auch wieder Neues entstehen kann. Dazu berichtete er von den großen Herausforderungen, vor denen die Dorfgemeinschaft nach der Wende stand und die es in einem langen Prozess zu bewältigen galt. Dreh- und Angelpunkt dieser schmerzhaften Reise war zu jeder Zeit die Feldsteinscheune, die größte ihrer Art in Deutschland. Menschen mit Ideen und Tatkraft haben dann „einfach mal gemacht“ und die Scheune Schritt für Schritt zu einem Tourismus-Magneten mit vielfältigen Angeboten und Veranstaltungen umgebaut. Dabei wurden sie immer wieder auch belächelt, zum Beispiel durch Nachbar:innen, die wenig Sinn in dem Projekt sahen. Ein Meilenstein, der den Macher:innen aus Bollewick einen wichtigen Motivationsschub gegeben hat, war seinerzeit eine Exkursion der gesamten Gemeinde in das erste deutsche Bioenergiedorf Jühnde in Niedersachsen. Hier konnte die Gruppe selbst erleben, wie die Biogasanlage zum Energielieferanten für ein Dorf wurde und waren anschließend motiviert, die Idee zuhause selbst umzusetzen.   

In den folgenden Jahren durchlief Bollewick eine Transformation. Bausteine waren dabei eine eigene Wärme- und Stromerzeugung; ein Konzept, um die Landflucht aufzuhalten indem jungen Familien attraktiver Wohnraum und Senior*innen lebenswerte Wohnkonzepte angeboten werden; eine gläserne Fleischerei und eine Käsemanufaktur, die mittlerweile auch die Region über die Dorfgrenzen hinaus beliefern; und nicht zuletzt die Feldsteinscheune, die mit Ladenlokalen und Veranstaltungsflächen für Dorfbewohner:innen und Tourist*innen gleichermaßen attraktiv und nutzbar ist. Ausgezeichnet wurde das Engagement mit zahlreichen Preisen, beispielsweise dem  taz Panther Preis der taz panther stiftung oder dem tassilo tröscher Preis der Agrarsozialen Gesellschaft e.V.  

Im Rahmen der RENN.nord Exkursion konnten sich die Teilnehmenden die Ergebnisse dieser Dorfentwicklung vor Ort selbst anschauen. Dabei wurden sie zusätzlich von der amtierenden Bürgermeisterin Antje Styskal begleitet, die die Berichte aus der Vergangenheit mit aktuellen Projekten und Ideen für die Zukunft bereichern konnte.   

Raum und Zeit für intensive Diskussionen unter den Teilnehmenden gab es auch beim gemeinsamen Essen. Auch hier war darauf geachtet worden, etwas Typisches aus der Region anzubieten. So sorgte die Gaststätte „Zur alten Scheune” in Zepkow, mit dem liebevoll zusammengestellten Sammelsurium (Sammlerstücken) aus alten Gebrauchsgegenständen und Antiquitäten sowohl für Begeisterung als auch für Irritationen. Aber aus Irritationen entstehen anschließend Diskussionen.  

Am zweiten Tag war die Gruppe zu Gast im Regattahaus in Röbel, das für den landschaftsprägenden Segelsport vor Ort steht. Röbel ist Verwaltungssitz des Amtes Röbel-Müritz, einem Amt mit der räumlich größten Ausdehnung in Deutschland. In diesem Zusammenhang wurde die Zusammenlegung von ehemals kleineren Kommunen zu größeren Einheiten thematisiert. Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern hat diese Entwicklung aus Sicht der Teilnehmenden dazu geführt, dass die Wege zu den Fachämtern weiter geworden sind und der Bezug zu den Belangen in den Gemeinden und Dörfern zunehmend verloren geht.   

In der abschließenden Diskussionsrunde stand die Zusammenarbeit von Ehrenamt und Verwaltung im Fokus. Da Vertreter:innen beider Gruppen vor Ort waren, konnten auf sachliche und wertschätzende Art und Weise persönlichen Einblicken in Arbeitsfelder gegeben und Rollen und konkrete Problemstellungen diskutiert werden. Nicht zuletzt wurde um gegenseitiges Verständnis geworben und der Bedarf nach Austausch und gesehen. Dabei wurde klar: Es gibt noch viel Gesprächsstoff für eine Folgeveranstaltung im Jahr 2024.    

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