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Die Klimakrise gemeinsam angehen - Im Gespräch mit dem Klima-Bürger:innenrat der Region Freiburg

Kira Hoffmann empfängt die Auszeichnung im Projekt Nachhaltigkeit im Namen des Klimabürger:innenrats für die Region Freiburg durch Prof. Dr. Hubert Weiger, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung. © Sven Stolzenwald für RENN.süd
Gemeinsam Zukunft gestalten: Der Bürger:innenrat für die Region Freiburg bei einem ihrer Arbeitstreffen. © Bürger:innenrat für die Region Freiburg

Der Klimabürger:innenrat ist einer der vier Preisträger*innen, die im „Wettbewerb für Zukunftsgestaltung mit Leidenschaft" in der Kategorie N - Jetzt und vor Ort mit ihrem Engagement für Nachhaltigkeit inspirierten und überzeugten. RENN.süd sprach mit Kira Hoffmann, einer der Mitorganisatorinnen der Bürger:innenratsgespräche, über die Entstehung, Motivation und Ergebnisse dieser direkten Form der Bürger:innenbeteiligung. Wir bedanken uns für das Interview und wünschen der Initiative weiterhin viel Erfolg mit ihrer Pionierarbeit für eine nachhaltige Region Freiburg.

RENN.süd: Wie entstand die Idee des Klima-Bürger:innenrats? Was war die Motivation dahinter?

Kira Hoffmann: Die Klimakrise wird früher oder später alle betreffen – sowohl Klimaschutzmaßnahmen als auch die Auswirkungen des Klimawandels. Daher war unser Anspruch mit dem Klima-Bürger:innenrat für die Region Freiburg (KBR), dass möglichst alle Gesellschaftsgruppen mitreden sollten, wenn es um die Erarbeitung von Maßnahmen geht. Denn nur so werden sie auch sozial gerecht. Da kam für uns das Losprinzip zum Tragen: Die Teilnehmenden für einen Bürger:innenrat werden zufällig aus dem Einwohnermelderegister gelost und nach Merkmalen, wie Geschlecht, Alter, Migrations- und Bildungshintergrund so zusammengestellt, dass sie die Breite der Bevölkerung möglichst gut abbilden. Natürlich reden dann nicht „alle alle“ mit, aber das Losverfahren ermöglicht, dass sich nicht nur die Immergleichen beteiligten, sondern viel mehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen einbezogen werden. Wir erleben momentan eine zunehmende Polarisierung innerhalb der Gesellschaft, auch in Sachen Klima und Klimaaktivismus. Ein Bürger:innenrat hat zum Ziel, Filterblasen aufzubrechen und Menschen an einen Tisch zu holen. Der Fokus liegt auf Gemeinschaft und das findet sich auch in den Empfehlungen des KBR wieder. Zudem haben wir uns auf die interkommunale Zusammenarbeit fokussiert, da das zu behandelnde Thema, die Energiewende, nur im Verbund zu lösen ist. Das kann die Stadt Freiburg nicht allein. So beteiligten sich am KBR neben der Stadt Freiburg insgesamt 15 Kommunen aus zwei Landkreisen. Aus all diesen Kommunen wurden Teilnehmende für den KBR gelost. 
Während die Initiative KBR auf die Initiierung des Klima-Bürger:innenrates seit 2019 hingewirkt hatte, wurde die Durchführung des Projektes von dem Freiburger Verein Allianz für WERTEorientierte Demokratie e.V. (AllWeDo) übernommen. Die Konzeption und Moderation lag in den Händen von Marina Leibfried vom Moderationsbüro "Leibfried Prozessbegleitung", die bereits viele Erfahrungen mit der Konzeption und Moderation von Bürger:innenräten machte, auch bundesweit.

 

RENN.süd: Für die Zusammensetzung des Rats wurden 91 Personen zufällig ausgelost. Wie ist das Feedback der Ratsmitglieder zu dieser partizipatorischen Form von Beteiligung?

Kira Hoffmann: Am Ende der Sitzungen konnten die Teilnehmenden eine Evaluation ausfüllen. Daraus ergab sich, dass ein Großteil der Teilnehmenden nach dem Prozess begeisterter von der Demokratie und deren Überzeugungskraft sind. Das ist ein starkes Zeichen! Gleichzeitig wünschen sich die Teilnehmenden auch eine möglichst schnelle Umsetzung der 48 Empfehlungen zur Energiewende, die sie erarbeitet haben. Die Befürchtung ist auf jeden Fall da, dass die Empfehlungen von der Politik nicht genügend wahrgenommen und ernsthaft umgesetzt werden. Da müssen alle dranbleiben, inklusive die Teilnehmenden selbst und wir von der Initiative. Was ich zudem besonders toll finde: Durch die Inspiration im KBR haben die meisten Teilnehmenden das Thema in ihrem sozialen Umfeld weiterverbreitet und wollen sich weiter für mehr Klimaschutz engagieren. Erste Initiativen bilden sich aus dem KBR, wie eine Solarinitiative in Freiburg und eine Energiegenossenschaft im Umland.

 

RENN.süd: Welche Wirkung hat der Rat bereits auf die Region Freiburg?

Kira Hoffmann: Auch, wenn die Empfehlungen jetzt erst auf dem Tisch liegen und wir gerade erst in die Umsetzung starten, hat der KBR bereits in den Köpfen gewirkt: Viele politische Entscheidungsträger:innen sind überrascht über die hohen Zustimmungsraten bei den Empfehlungen. Die Empfehlungen wurden nämlich am Ende der letzten Sitzung von allen Zufallsbürger:innen abgestimmt und erhielten meist mehr als 90% Zustimmung. Das wurde bei einem durchaus divers besetzten Gremium also nicht erwartet. Außerdem erinnere ich mich an die Aussage eines Bürgermeisters des Umlands „Jetzt haben wir schwarz auf weiß, was die Bürger:innen wollen. Danach müssen wir jetzt handeln“. Er betonte vor allem den Aspekt, dass die Empfehlungen von der breiten Bevölkerung kommen und nicht lediglich von Interessensgruppen. Das gibt den Empfehlungen natürlich nochmal ein besonderes Gewicht. Aber wir müssen nun abwarten, was aus diesen Worten tatsächlich resultiert: Es müssen Taten folgen. Die Kommunen müssen jetzt handeln, denn nur dann zeigen sie, dass sie es ernst meinen mit der Bürgerbeteiligung. Die Empfehlungen dürfen nicht einfach in einer Schublade verschwinden. Wir sind alle gefragt, diesen Prozess voranzubringen!

 

RENN.süd: Welche Tipps würdest du anderen Engagierten in Kommunen mit an die Hand geben, die sich ebenfalls für mehr Nachhaltigkeit einsetzen? Auch in Bezug auf die Bildung eines eigenen Klimabürger:innenrats. Was braucht es dafür?

Kira Hoffmann: So wie der Bürger:innenrat eine neue Art der Kooperation und Entscheidungsfindung schafft, so sehr braucht auch eine Initiative, die einen solchen Prozess in die Wege leitet, eine Diskussionskultur auf Augenhöhe. Jede Person, die sich engagieren möchte, soll ihre eigenen Fähigkeiten mitbringen dürfen. Da sollte es kein „Nein, weil…“ geben, sondern ein „Super und wie setzen wir diese Fähigkeit/Idee nun ein…?“. Die Schritte ergeben sich dann aus einer Mischung aus dem Lernen anderer Bürgerrats-Beispiele und dem Anpassen vor Ort. Denn „das eine perfekte“ Modell Bürger:innenrat gibt es nicht; die Ausgestaltung des jeweiligen Bürger:innenrates sollte sich an die lokalen Gegebenheiten anpassen. Was super wichtig ist: Sich Unterstützung in der Politik und Verwaltung suchen. Wir hatten das große Glück, dass von vorn herein ein Bürgermeister des Umlands auf unserer Seite war und uns die kommunalpolitische Perspektive nähergebracht hat. So wussten wir, wann und wie wir unsere Idee am besten platzieren. Das war wirklich goldwert!

 

Mehr Infos zum Klimabürger:innenrat der Region Freiburg findet ihr hier.

Mehr Infos über die vier Preisträger*innen im Projekt Nachhaltigkeit aus dem RENN.süd-Gebiet findet ihr hier.

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