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Frische Ideen für Nachhaltiges Bauen und Verkehrswende: Nachbericht zum Länderforum in Bonn

RENN.west
Fotos: Martin Magunia

Klimaziele verfehlt – und nun? Das Länderforum „Nachhaltiges Bauen und Verkehrswende“ diskutierte nötige Kurskorrekturen und nutzbare Synergien im landesübergreifenden Austausch am 15.06.2023 im LVR-Landesmuseum Bonn.  

Die Meldungen über verfehlte Ziele in einzelnen Sektoren und nicht eingehaltene Vereinbarungen häufen sich und Forderungen nach Anpassungsbedarfen werden laut. In ihren Grußworten zur Eröffnung des Länderforums verdeutlichte Mona Rybicki, Teamleiterin Netzwerke bei LAG 21 NRW | RENN.west, dass die Themenkomplexe Bauen, Wohnen und Verkehr zwar komplex seien, aber die Chance mitbringen würden, Herausforderungen integriert und sektorübergreifend anzugehen. Zudem lenkte sie den Blick in den Herbst – entsprechende Anpassungsbedarfe könnten bei den anstehenden Fortschreibungsprozessen der Nachhaltigkeitsstrategien auf Bundes- und Landesebene Gehör finden.  

Planen und Bauen – wie weiter?

Sowohl Bauen und Wohnen als auch Verkehr sind Disziplinen der lokalen Stadtplanungspraxis in die Prof. Martin Hoelscher, Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe, mit kritischen Fragen einführte. So müsse man hinterfragen, ob die Stadtplanung ihrer Transformationsverantwortung nachkomme. Noch immer würden klimaschädliche Konzepte wie bspw. die Neuversieglung anstelle einer Flächenkreislaufwirtschaft umgesetzt. Auf die Frage, ob die Sustainable Development Goals (SDGs) zum Maßstab planerischer Entscheidungen geworden seien, erhielt er ein Lachen aus dem Teilnehmendenkreis. „Wenn wir etwas zu den SDGs beitragen wollen, muss in Prozessen und Zyklen gedacht werden und nicht in Projekten“, so Hoelscher. Es brauche einen radikalen Perspektivwechsel in der Planungspraxis. Kreative Umnutzung von Beständen, ressourcenschonende Realisierungs- und Planungspraxen sowie technologische Innovationen im Bauwesen sollten genutzt werden, um einen Beitrag zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele zu leisten. Der Architekt und Stadtplaner ermutigte die Teilnehmenden, die Zukunft mehrdimensional zu denken und im Bestand die „goldene Energie“ zu sehen.  

Transformationsgespräch zu Herausforderungen der Bau-, Wohn- und Verkehrswende 

Weitere Diskussionen zu zentralen Herausforderungen schlossen sich im moderierten Gespräch an. Nicola Krettek, Projektleiterin „Bundesweites Netzwerk Wohnen und Mobilität“ im Verkehrsclub Deutschland e.V. plädierte, die Wohn- und Verkehrswende nicht getrennt zu betrachten. Denn am Wohnort würde die Wahl für das Verkehrsmittel getroffen, weshalb es an dieser Stelle infrastrukturelle Maßnahmen wie Sharing Systeme oder eine Stellplatzreduzierung brauche.

Auch Ulrich Steinmeyer, Vorstandsmitglied von Bauwende e.V., sah unter anderem Herausforderungen bei Neuplanungen von Wohnquartieren, in denen nur wenig Entwicklungen hin zu mehr Nachhaltigkeit zu beobachten seien. Zwar gäbe es Konzepte für nachhaltige Quartiere, meist würden sie jedoch ausschließlich in Leuchtturmprojekten (s. Faktor X Bebauung) umgesetzt. Deshalb „müssen Kommunen nachhaltiges Bauen einfordern, anders funktioniert es nicht“, so Steinmeyer.

Martin Hoelscher unterstütze diese Aussage und führte u.a. kommunale Co2-Budgets oder Energiebilanzen als Instrumente für höhere Standards an. Zudem brauche es für die umfassende Transformation das Zusammenspiel aller betroffenen Akteur*innen. Zwar hätten alle Meinungen zu einer „guten Zukunft“, jedoch fehle der Konsens zur Veränderungsbereitschaft, so Hoelscher.  

Auf die abschließende Frage nach der Stellschraube zum Übertrumpfen von Ideologien wie das vermeintlich notwendige Einfamilienhaus schlug Krettek vor, Visionen für einen Lebenszugewinn in den Vordergrund der Kommunikation zu stellen. Hoelscher plädierte für die verstärkte Kommunikation von Modellprojekten, welche die Transformation veranschaulichen. Steinmeyer ermutigte zum „langen Atem“, denn langsam würde er Veränderungen vernehmen.  

„Bitte wenden“ – Austausch in Diskussionsforen 

Entsprechende Handlungsbedarfe insbesondere auf der Landesebene wurden in zwei Diskussionsforen thematisiert. Im Diskussionsforum „Nachhaltiges Bauen und Wohnen“ führte Florian Müller, Ortsgruppe Köln/Bonn der Architects For Future, in die „10 Forderungen für eine Bauwende“ und bezog sich auf aktuelle Beispiele aus dem Großraum Köln. Ergänzt wurde der Input durch einen Impuls von Ulrich Steinmeyer zu den politischen Herausforderungen bei der Umsetzung der Bauwende. So seien z.B. die Landesregierungen in Pflicht, Verordnungen anzupassen, um kommunale Rahmenbedingungen (s. Brandschutzverordnung) zu schaffen. Weiterhin seien Anpassungen im Sozialwohnungsbau ein Hebel. Auch in der Diskussion der Teilnehmenden zu Handlungsbedarfen zeigte sich: die größten Bedarfe wurden bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, wie den Landesbauverordnungen, Maßnahmen hinsichtlich der Ausbildung von Fachkräften sowie bei Anpassungen der Vergabekriterien bei landeseigenen Projekten gesehen. 

Das Diskussionsforum „Verkehrswende“ wurde durch einen Impuls von Stephan Baur, Referent für zukunftsfähige Mobilität, BUND NRW und Bulut Surat, Referatssekretär Mobilität, Klima- und Umweltpolitik und Nachhaltigkeit, DGB NRW eingeleitet, die die zentralen Forderungen des Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende NRW darstellten. In der gemeinsamen Diskussion mit den Teilnehmenden wurden die verschiedenen Aspekte weiter ausdifferenziert – dabei wurden neben finanziellen und ordnungsrechtlichen Aspekten, wie der Kopplung von Fördermitteln mit Nachhaltigkeitskriterien, insbesondere strukturelle Herausforderungen diskutiert. Auch das Betonen von Zielkonflikten und Synergien in den Landesnachhaltigkeitsstrategien wurde befürwortet. 

Handlungsimpulse für die Umsetzungspolitik  

Nach dem intensiven Austausch in den Kleingruppen folgte abschließend eine Ergebnisdiskussion, zu der Matthias Berger, politischer Referent Hessen und Rheinland-Pfalz und persönlicher Referent des Vorstands des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e.V., und Bulut Surat die Diskussionsstränge beider Foren zusammenfassten. „Weiterbauen wie bisher, das geht nicht“, schlussfolgerte Berger und sah einen Handlungsimpuls bei der Gestaltung und Vereinheitlichung von Vorgaben auf Landesebene. Doch auch die kommunale Ebene habe Möglichkeiten, die ausgenutzt werden müssten. Hier führte er das Setzen von Anreizen wie bspw. durch die Förderung von Sanierungen sowie kommunale Planungshoheiten an, denen insbesondere im Bereich der kommunalen Wärmeplanung großes Veränderungspotential innewohne.

Auch Surat sah Anpassungsbedarfe auf allen föderalen Ebenen und betonte, dass es eine Strategie brauche, um Ziele zu erreichen. Auch Anreize spielten eine Schlüsselrolle: Durch verbesserte Verkehrsangebote und komplementäre Modelle könnten Fehlanreize und damit auch Verkehr vermieden werden. In der Diskussion wurden Dialog und Transparenz als relevante Stellschrauben für die Transformation hervorgehoben. So sei die Bevölkerung teilweise bereits weiter als die Kommunal- und Landespolitik – die sozial-ökologische Transformation müsse der Politik als „Gewinnerthema“ kommuniziert und entsprechender Wissenstransfer geleistet werden. Neben kontinuierlichen Anpassungen in einzelnen Maßnahmen und Strategien der Landespolitik, wurde zusammenfassend die Konzentration auf das Aufbrechen von Zielkonflikten durch die Nutzung von Synergien sowie die verstärkte Kommunikation als Querschnittsmaßnahme aller Forderungen betont.  

Diskussionen werden weitergeführt 

Zum Abschluss der Veranstaltung bedankte sich Reiner Mathar, Vorstandsmitglied der ANU Hessen | RENN.west, bei den Teilnehmenden und Referent*innen für die Diskussionen. Er versicherte, dass die Diskussionsstränge in weiteren Formaten fortgesetzt werden und schlussendlich auf der Jahrestagung der RENN.west im November mit der politischen Landesebene ausgetauscht werden

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