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Land.Stadt.Allianzen – Rückblick Summerschool 2022

Mecklenburg-Vorpommern
Stiftung Akademie Nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vorpommern

Konfliktpotenziale =
Chancen für alle?

Ein Rückblick von Natali Zielonka, Stiftung Akademie Nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vorpommern

 

Im Sommer 2022 fand im Postel in Wolgast eine SummerSchool statt, die gemeinsam von ANE und RENN.nord im Zusammenwirken mit der LANDWERKSTATT DORFGEMEINSCHAFTEN durchgeführt wurde. Gesucht wurde ein gemeinsames Bild für einen achtsamen Umgang mit den Potenzialen von Land und Stadt und seinen jeweiligen Bewohnern.

Was so einfach, so selbstverständlich klingt, birgt unglaublich viele Fettnäpfe: Schon der Versuch des Beschreibens von typisch Ländlichem oder Urbanem offenbart gravierend unterschiedliche Empfindungen, ohne dass diese Unterschiedlichkeit jemals wirklich bewusst war. Die Stadt mit ihrem Trubel, ihrem vielfältigen Angebot an Kultur, Bildung, ihrem Lifestyle zeigt einen deutlichen Kontrast zum Ländlichen Raum mit seiner Weite, der hier und da noch unberührten Natur, der Idylle, aber auch seiner großflächigen Nutzung für Erneuerbare Energien. Windräder und Flächensolaranlagen gehören für einen Städter selbstverständlich zum Ländlichen Raum. Da ist halt Platz. Für die Menschen auf dem Land bedeutet diese Entwicklung aber eine gravierende Veränderung ihrer Lebenswelt.

Die Konflikte sind vielfältig und überall spürbar, schwingen mit und wuchern heran zu einer sehr grundlegend ablehnenden Haltung, die oft mit Argumenten gar nicht so leicht wieder auflösbar ist. Das längst vor der Energiewende gefestigte Vorurteil des etwas zurückgebliebenen Landeis hinkt; denn das Land versorgt seine umliegenden Städte mit. Die Städte sind nicht überlebensfähig ohne die Leistungen des Ländlichen Raums, ohne die Kraft seiner Bewohner - und da sind die Produktion von Lebensmitteln oder die Versorgung mit Energie nur zwei Beispiele von vielen. Ist das einem Stadtmenschen bewusst, wenn er auf seiner Landtour außer den typischen Windrädern keine nennenswerten "Highlights" entdecken kann?

Der Landmensch aber spürt jeden Tag die Veränderungen, die Einschnitte, die er hinzunehmen hat, wenn Wiesen und Felder mit großflächigen Anlagen und Windparks zugebaut werden, wenn vielleicht sein eigenes kleines Anwesen durch die Nähe zum Windrad gerade an Wert verliert. Und er ist doppelt betroffen, denn gleichzeitig wird immer noch die Infrastruktur in allen Bereichen zurückgebaut, weil sie sich in dünn besiedelten Gegenden nicht rechnet.

Und irgendwie ist es ein Kreislauf: Dem Land fehlen die Einwohner, um Struktur einfordern zu können. Gleichzeitig wird der Ländliche Raum überschwemmt von Touristen, von Stadtflüchtern und sonnenhungrigen Rentnern, die irritiert feststellen, dass der Zug sie nicht bis vor ihr Sommerhaus fährt, dass das Personal, das sie bitte bedienen soll - der Urlaub ist schließlich teuer bezahlt - gar nicht mehr da ist. Maßnahmen zum Erhalt der unberührten Natur werden regelmäßig untergraben, damit der Urlauber einen möglichst komfortablen und bitte direkten Zugang zum Strand findet. Die Stimme des Dorfkindes, das jeden Tag einen Schulweg von 40 km überwinden muss, zählt nicht, wenn auch die letzte Schule auf dem Land geschlossen wird. Wir brauchen eine neue Wertschätzung füreinander, ein Bewusstsein dafür, dass wir einander brauchen. Und Wissen. Erfahrungen. Mutige Menschen, die sie teilen.

Da reicht es nicht, regionalen Strom zu kaufen. Oder das Gemüse vom Bauernladen. Es bedarf der Berührungen vor Ort, damit Hemmnisse, Sorgen oder gar Ängste, aber genauso Potenziale und Angebote erreichbar werden, in unser Bewusstsein vordringen können. Und das gilt für beide Seiten: Wir müssen einander (wieder?) kennenlernen, denn gerade die Konflikte, die Reibungen, die dabei entstehen, haben ein riesiges Potenzial, in Chancen gewandelt zu werden, wenn wir es denn zulassen.

Wertschätzung füreinander gelingt nur, wenn wir uns alle Mühe geben, einander zu verstehen. Und da ist Zuhören ein Anfang, auch wenn das Erzählte nicht auf ein Moderationskärtchen passt, wenn ein Bericht mal länger dauert als der des anderen. Vielleicht erzählt auch jemand seine Geschichte, indem er einfach nichts sagt. Wer aufmerksam zuhört, wird alles erfahren. Wir stehen noch sehr weit am Anfang. Aber das gemeinsame Bild wird schön. Ich glaube daran.

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